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Der Wind als Baumeister von Lawinen
29.07.2024
Triebschnee ist eines der fünf Lawinenprobleme und zählt zu den häufigsten Lawinenursachen. Die Gefahrenmuster sind oft sehr eindeutig zu erkennen, werden jedoch häufig unterschätzt.
Allzu verlockend sind Schnee-gefüllte Rinnen oder tiefweiße Hänge nach einem Aufstieg über abgeblasenes Gelände. Schon kleine Schneebretter (20 x 20 Meter) können für den Wintersportler lebensgefährlich sein. Neben den Lawinenproblemen bei Neuschnee, Altschnee, Nassschnee und Gleitschnee ist speziell im Alpenraum fast immer mit Windeinwirkung, und somit mit Triebschnee zu rechnen.
DER VERURSACHER WIND
Im Gegenzug zu parallelen Windströmen überwiegen in den Bergen oft turbulente Winde, welche deutlich schwerer einzuschätzen sind. Neben großen Fronten, insbesondere Föhn, kann es darüber hinaus auch sehr lokale Unterschiede geben. Gründe dafür sind Temperaturunterschiede in unterschiedlichen Höhen (Berg und Tal), zwischen Tag und Nacht oder auch zwischen Schatten- und Sonnenseiten. Boden- und Höhenwinde können sich beispielsweise in unterschiedliche Richtungen zueinander bewegen. Bodenwinde werden durch das Gelände wesentlich beeinflusst und bewegen sich daher dem Geländerelief entsprechend. Bodenwinde können beispielsweise in Seitentäler ausweichen und somit oft in rechtwinkeliger Richtung zu Höhenwinden strömen. Das sollte auf alle Fälle bei einer Tourenplanung und somit bei der Einschätzung von Triebschneeablagerungen im Hinterkopf behalten werden. Wenn im Wetterbericht von einem Westwind die Rede ist, kann beispielsweise nicht davon ausgegangen werden, dass Triebschneeansammlungen nur auf Osthängen (der Leeseite) zu finden sind. Mit einer lokalen Änderung der Windrichtung ist nicht nur von Tal zu Tal zu rechnen, sondern auch zwischen Tal und Berg. Darüber hinaus kommt es in Mulden und Rinnen, egal welcher Exposition, zu Triebschneeansammlungen.
Schnee wird bereits bei mäßigem Wind (Windstärke 4, etwa 20 km/h) verfrachtet. Bei Windstärke 6 auf der Beaufortskala (entspricht ca. 40km/h) kann Triebschnee bereits zu einem akuten Problem werden.
DIE ENTSTEHUNG VON TRIEBSCHNEE
Wind formt und verfrachtet sowohl fallenden als auch bereits abgelagerten Schnee. Der Schnee wird dabei mechanisch zerkleinert und von der windzugewandten Seite (Luvseite) in die windabgewandte Seite (Leeseite) transportiert. Besonders in kammnahen Lagen und Geländeübergängen ist mit Triebschnee zu rechnen. In Rinnen und Mulden kann sich Triebschnee in allen Expositionen ablagern.
Wird Triebschnee auf lockerem Pulverschnee abgelagert, können sich diese Schichten oft in Stunden oder nur wenigen Tagen zu einer stabilen Schicht verbinden. Werden die verfrachteten Schneekristalle jedoch auf einer Altschneedecke abgelagert, entsteht meist nur eine schwache Verbindung mit der darunterliegenden Schicht. Der Triebschnee wird also als labile Schneeschicht abgelagert. Bei einer Ablagerung von Triebschnee auf sogenannten aufbauend umgewandelten Kristallen wie beispielsweise bei Schwimmschnee (Tiefenreif), Oberflächenreif oder hartem Altschnee kann eine Verbindung der einzelnen Schichten oft Monate dauern.Der Triebschnee selbst hat die charakteristische Eigenschaft, dass er in sich gebunden ist und deshalb Spannung aufbauen kann. Das hat zur Folge, dass sich Schneebretter bilden können. Entstandene Hohlräume, also der Strukturbruch in der Schneedecke auf den kantig aufgebauten Kristallen, bilden ein „ideales“ Gleitlager für die daraufliegende Schicht. Durch äußere Belastung wie beispielsweise einen Wintersportler, brechen die Schneeschichten über einem hohlen Fundament ein und lösen im schlimmsten Fall das Schneebrett aus. Eine Schneebrettlawine hat einen linienförmigen Anriss und kann sich über mehrere hundert Meter an einem Hang ausdehnen.
Voraussetzungen für eine Schneebrettlawine sind: Gebundener Schnee (Triebschnee), eine Schwachschicht, ein steiler Hang und eine Zusatzbelastung. Gefahrenzeichen für Instabilität in der Schneedecke sind Rissbildungen, Setzungsgeräusche („Wumm“-Geräusche) und Lawinenselbstauslösungen.
TRIEBSCHNEE ERKENNEN
Die gebundene Schneedecke ist daran zu erkennen, dass sie eine matte Oberfläche aufweist. Im Gegensatz dazu kennt man das Glitzern der Schneekristalle von frischgefallenem Pulverschnee. Die bereits erwähnte Spannung in der Oberfläche ist beim Skitourengehen durch die scharfkantigen Spurenränder sowie durch einen „stumpfen“ Widerstand beim Spuren oder Befahren zu erkennen. Insbesondere ist auf Risse in der Schneedecke zu achten, welche häufig schon neben der Spur entstehen können. Triebschnee kann oft sehr unregelmäßig in Windschattenlagen verteilt sein und hart oder weich sein. Was sich in einer unregelmäßigen Einsinktiefe beim Spuren zeigt.
WINDEINWIRKUNG RICHTIG LESEN
Das Einwirken von Wind, insbesondere auch die Windrichtung und somit die Orte, an welchen mit Triebschneeablagerungen zu rechnen ist, kann anhand von eindeutigen Anzeichen abgelesen werden:
- Schneetreiben/Schneefegen
- Abgeblasene Hangrücken: Ein deutliches Zeichen dafür, dass im Lee dahinter mit Triebschnee zu rechnen ist.
- Wechten: Eine verdichtete Schneeablagerung, welche sich an Geländekanten in Richtung der Leeseite stülpt. Achtung: Der Wechtenspalt (also die Sollbruchstelle einer Wechte zwischen Schneedecke und Luvseite) verläuft nicht senkrecht über die Gratkannte. Bei der Spurwahl ist somit genügend Sicherheitsabstand zur Flanke zu wählen.
- Windgangeln/Sastrugi: Sind winbedingte Abtragungen von lockerem Schnee. Im Gegensatz zur Wechte ist bei der Windgangel die flachere Seite die windabgewandte Seite. Somit zeigt die steilere Kante an, dass von dieser Richtung der Wind eingewirkt hat.
- Kometstreifen: Der Schnee sammelt sich im Windschatten von Hindernissen an.
- Windkolken: Durch starken Windeinfluss entstandene Freiräume vor Hindernissen (beispielsweise Felsblöcke, Gebäude)
- Anraum: Niederschlag, welcher sich gegen die Windrichtung auf Hindernissen wie Bäumen, Zäune etc. aufbaut.
- Dünen und Wellen: Die Schneeoberfläche kann dünenartig gewellt sein. Dabei zeigt die steile Seite der Düne die windabgewandte Seite an und steht rechtwinkelig zur Windrichtung.
Als praktisches Nachschlagwerk zum Thema Lawine eignet sich die handliche Lawinenfibel vom Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit. Von der Planung, über Lawinen- und Scheekunde, bis hin zu Strategien im Gelände und dem richtigen Verhalten bei einem Lawinenunfall, gibt die Fibel einen guten Überblick für das richtige Vorgehen im freien Skiraum.
Autor: Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit
Mehr dazu:
Mehr Informationen dazu finden Sie unter alpinesicherheit.at