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Alpintourismus vs. Massentourismus

15.07.2024

In den letzten Jahren hat kaum ein Begriff so viel Aufmerksamkeit erregt wie „Nachhaltigkeit“. Auch in der Bergwelt ist er von Bedeutung. Ein nachhaltiges Bergerlebnis erfordert den Schutz der Natur.

Wenn der Tourismus den Gipfel des Mount Everest erreicht hat, wo beginnt dann der Alpinismus? - R. Messner


Anders gefragt: „Wo steht der berufliche Bergsport in Tirol, wenn der Bergtourismus im Land den Mount Everest zum Teil bereits bestiegen oder sogar überschritten hat?“ Kaum ein Thema hat in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit erhalten und Verwendung gefunden, wie der Begriff „Nachhaltigkeit“. Wie für fast alle gesellschaftlichen Bereiche spielt das Thema Nachhaltigkeit auch für die Bergwelt eine wichtige Rolle. Ein nachhaltiges Bergerlebnis kann nur garantiert werden, wenn der Erhalt der Natur angestrebt wird. Daher ist es notwendig, sich als Berufsgruppe mit diesem, in unserer Zeit strapazierten, Thema zu befassen. Der Tiroler Bergsportführerverband ist überzeugt, dass Nachhaltigkeit ganzheitlich gedacht und gelebt werden muss. Er sieht darin die Chance, Positionen zu beziehen. Selbst dann, wenn dabei unangenehme Seiten der eigenen Aufgaben am Berg beleuchtet werden müssen. Selbstreflektion als Mittel, die Eigenwahrnehmung des Tiroler Bergsportführerverbandes zu analysieren, um anschließend mit Verständnis und ohne Anklage

Strömungen im Bergsport aufzuzeigen. Was gelingt gut? Was weniger gut? Welche Vorgehensweisen, die von Mitgliedern praktiziert werden, entsprechen nicht der Philosophie des Tiroler Bergsportführerverbandes?

Die drei Säulen der Nachhaltigkeit aus Sicht des Tiroler Bergsportführerverbandes:

1. ÖKONOMISCHE NACHHALTIGKEIT


Die ökonomische Dimension von Nachhaltigkeit meint, dass ökonomische Gewinnmaximierung nicht zur Folge haben darf, dass die Gesellschaft oder die Umwelt darunter leiden. Es ist schlicht sinnlos, Gewinne zu erzielen und diese Gewinnanteile in Maßnahmen zu investieren, die den Schäden der Gewinnerzielung entgegenwirken.

DAZU DER TIROLER BERGSPORTFÜHRERVERBAND

Bereits die ersten gesetzlichen Regelungen des Bergführerwesens weisen darauf hin, dass diese Form des Tourismus nur ein „prekärer Nebenverdienst“ sein kann. Denn die, durch die alpinen Vereine geschaffene, Infrastruktur gibt die Möglichkeit große Gewinne zu erzielen, im Kräftevergleich zu anderen Tourismuszweigen, nicht her. Es gibt kommerzielle Auswüchse, wie sie bei Weitwanderungen oder im Bereich der Begehung von Schluchten in Tirol zu beobachten sind. Diesen Angeboten steht der Tiroler Bergsportführerverband skeptisch gegenüber. Nicht wegen dem zu erwartenden Gewinn, sondern ausschließlich wegen der Belastung der beanspruchten Strukturen. Auch die zahlreichen Auslands-Bergfahrten, die durch verschiedenste Geschäftsmodelle am Markt platziert werden, werden kritisch gesehen. Dutzende veröffentlichte Bilder mit sehr langen Warteschlangen vor dem Gipfel und Müllbergen in den Gipfelzonen der Berge weltweit spiegeln nicht das Wunschbild der Bergführer-Tätigkeit wider.

Berücksichtigt man ein gewisses Verständnis für das Interesse an dieser herausfordernden Tätigkeit, bleibt es dennoch skurril und dem Selbstverständnis des Tiroler Bergsportführerverbandes fern. Die ökonomische Situation der Tiroler Bergwanderführer ist sehr bedauerlich. Aus einem nicht nachvollziehbaren Grund wird das Wandern, auch das geführte Wandern im alpintouristisch genutzten Alpenraum, gegenüber dem Kunden als kostenloses „Produkt“ verkauft. Es gilt das Fazit, dass dem Kunden der finanzielle Wert der geführten Wanderung nur in seltenen Fällen in Rechnung gestellt wird. Dadurch ist es geprüften Wanderführern unmöglich, ihre wirtschaftliche Situation selbstständig positiv zu entwickeln.

WOZU EIN BERGFÜHRER?

2. ÖKOLOGISCHE NACHHALTIGKEIT


Die Säule der ökologischen Nachhaltigkeit meint jene Säule, die die Gesellschaft zu allererst mit „Nachhaltigkeit“ in Verbindung setzt. Die Wertschätzung und der respektvolle Umgang mit der Natur, der Schutz der Artenvielfalt und eine grundsätzlich umweltfreundliche Einstellung sind jene Werte, die hier verankert sind. Das Ziel ist, ein Gleichgewicht zwischen Leben und Umwelt herzustellen. Natürliche Systeme und Prozesse sollen durch menschliches Einwirken nicht destabilisiert oder zerstört, sondern langfristig gesichert werden.

DAZU DER TIROLER BERGSPORTFÜHRERVERBAND

„By fair means“. Eine Grundeinstellung, die dem Leistungsbereich des Bergsports entstammt und zum Schlagwort für den Alpinismus in all seinen Bereichen geworden ist. Die Tiroler Bergsportführer stehen für diesen Begriff und sehen sich durch diese Haltung auch mit der Tiroler Deklaration verbunden. Sie sind für die Sicherheit ihrer Gäste verantwortlich.  Wie bereits unter Punkt 1 – ökonomische Nachhaltigkeit – erwähnt, eignet sich der berufliche Bergsport aus ökologischer Sicht nicht für die Massen. Allein der gesetzliche Rahmen, der die Sorgfaltspflichten für Bergsportführer sowie die Gewährleistung der Sicherheit der Bergkunden regelt, verpflichtet zu Klein- bis Kleinstgruppen und auch Einzelgästen. Je nach Aktivität und alpinem Gelände. Massen sind hier nicht vorgesehen. Es gibt durchaus eine starke Nachfrage in den Bereichen Weitwandern, Freeriden und wenn es darum geht, „besondere“ Berge, sogenannte „Mode“-Berge, zu erklimmen.

Betrachtet man das Gesamtvolumen dieser Bedarfssituation, stellt der von den Tiroler Bergsportführern verantwortete Anteil einen sehr kleinen Anteil dar. Die Tiroler Bergsportführer bieten vielmehr alternative Ziele. Um die Spuren am Berg bestmöglich klein zu halten – z. B. beim Bau von Klettersteigen – arbeiten die Bergsportführer möglichst ohne großen maschinellen Einsatz. So kann die Natur den sportlich genutzten Raum nach Beseitigung des essentiellen Materials schnell zurück “erobern“.  

Tiroler Bergsportführer schätzen sich glücklich, dass im hochalpinen Raum, unter Abwägung politischer Interessen, der sensible Bereich unter Schutz gestellt ist. Dies garantiert, dass auch Naturliebhaber zukünftiger Generationen eine sehenswerte, intakte Landschaft vorfinden dürfen. In welcher Größenordnung neue „Aufstiegsmöglichkeiten“, wie z. B. akkubetriebene Fortbewegungsmittel, Einzug in unser Berufsbild finden, bleibt abzuwarten. Der wachsende Trend ist, wie auch im urbanen Raum, überall spürbar und die gesellschaftliche Akzeptanz zu diesen Fortbewegungsmitteln am Berg hoch. Der Tiroler Bergsportführerverband vertritt die Meinung, dass der überwiegende Teil den geführten Bergtouren zugeordnet werden muss und erwartet einen respektvollen Umgang miteinander. Faires Verhalten den Grundeigentümern als Verantwortungsträgern gegenüber sowie auch gegenüber allen anderen Besuchern alpiner Regionen. Der Einsatz von akkubetriebenen Fortbewegungsmitteln sollte unterstützend und nur bei dazu geeigneten bzw. geregelten Voraussetzungen genutzt werden. Durch die nachhaltige Brille ist hier weniger der Energieaufwand zu bedenken. Vielmehr ist es die Herstellung an sich und der bereits stattfindende überzogene Einsatz dieser Produkte.

3. SOZIALE NACHHALTIGKEIT


Miteinander statt gegeneinander, so könnte die einfache Zusammenfassung dieser dritten Säule lauten. Soziale Nachhaltigkeit zielt darauf ab, dass Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion und finanziellen Hintergründen respektvoll und tolerant miteinander umgehen. Integration und Inklusion spielen eine zentrale Rolle.

DAZU DER TIROLER BERGSPORTFÜHRERVERBAND

Der Tiroler Bergsportführerverband als Berufsgruppe für Bergsportfragen sieht die soziale Nachhaltigkeit in Zukunft als die notwendigste Säule an. Die politische Aufgabe des globalen Bergführerwesens – beginnend bei landesgesetzlich verankerten Sektions- und Landesverbänden bis hin zu nationalen Berufsverbänden, die seit 1965 im internationalen Bergführerverein IVBV gipfeln – war und ist der respektvolle Austausch mit Talschaften besonderer Gebirgsregionen im Alpenraum und auf der ganzen Welt.  Hier sieht das Bergführerwesen seine größte Stärke. Der Qualitätsanspruch für Hilfeleistungen am Berg ist hoch. Konkurrenzdruck und Vorurteile sind schnell gebildet. In Notsituationen steht jedoch das gegenseitige Helfen am Berg immer an erster Stelle. Sowohl unter den Gästen als auch bei Berufskollegen.

Bergsportführern steht eine Zeit der verstärkten „Erfassung“ durch Behörden bevor. Die jungen Bergführer von heute denken zunehmend wieder national. Sie kennen den Wert der Marke Tirol. Ein Sachverhalt, der von manchen Mitgliedern als Barriere gesehen wird. Dabei dient es vielmehr dem Schutz vor Vereinheitlichung. Die notwendige „Abgrenzung“ zur Gleichmacherei und das deutliche Hervorheben eines Charakterprofils, das vor über 150 Jahren ins Leben gerufen wurde. Ein Charakterprofil, das für Bergsportanfragen und bei vielen gesellschaftlichen Notwendigkeiten (z. B. touristische Dienstleistungen, Rettungsaufgaben, Schutzaufgaben für Kommunen) mit hohem Einsatz für unser Land und dessen Infrastruktur zur Verfügung steht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der berufliche Bergsport in Tirol bewusst nachhaltig gestaltet wird. Er ist sicher nicht dafür geeignet, Bäume in den Himmel – und darüber hinaus – wachsen zu lassen. Der Tiroler Bergsportführerverband macht es sich aber zur Aufgabe, die drei Säulen der Nachhaltigkeit bewusst, langfristig und mit Respekt gegenüber dem Menschen und der Umwelt zu implementieren.
 

Autor: Stefan Wierer, Tiroler Bergsportführerverband



Mehr dazu:

Mehr Informationen dazu finden Sie unter bergsportfuehrer-tirol.at

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